New York, 24 Jan 2019
Liebe Constantin und Christof,
Ihr wisst von meinem Interesse am Projekt «Republik», wir haben uns in der Vergangenheit darüber unterhalten. Aus diesem Grund möchte ich Euch nun direkt mitteilen, dass ich mich entschieden habe, mein Abonnement nicht zu erneuern. Ich will ein Jahr warten und schauen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Denn so, wie sie jetzt daherkommt, brauche ich die «Republik» nicht.
Ich hatte einen im weitesten Sinne politischen Ansatz erwartet, der in republikanischer Auffassung von Staat und Politik gründet, gegen Zeitströmungen bürstet (namentlich die, in denen man selber schwimmt), links gewickelt ist (das heisst, von unten nach oben schaut). Ich erhalte das nicht. Ich finde in Euren Artikeln zu wenig politische Auseinandersetzung und zu viel selbstverliebten Firlefanz. Dafür sind die Zeiten nicht geeignet. Zudem ist mir Euer Stil zuwider. Zu lehrerhaft und zu hoch geritten. Ihr habt nicht einen «Konzern» gegründet, sondern ein kleines Unternehmen. Ich bin kein «Verleger», sondern ein Kunde oder der Abonnent, als der ich jetzt angesprochen werde. Ich brauche keine «Erklärstücke», die an den harten politischen Fragen vorbeischrammen (das Stichwort heisst hier «Europa»), mir jedoch des (sehr) langen und breiten mitteilen, was ich schon weiss. Und ich hätte gerne etwas weniger Hoppla-jetzt-komm-ich und dafür etwas mehr Schalk im Text.
Ich erliege keinem Wahn, dass mein Verzicht irgendetwas abträgt. Die «Republik» wird allen Berichten zufolge ohne mein Scherflein weiter bestehen, und das ist auch gut so. Ihr verdient grosse Anerkennung dafür, dass Ihr etwas gewagt, und dass ihr einen neuen Weg der Mittelbeschaffung für ein Medium beschritten habt. Ich bin mir auch bewusst, dass jedes neue Unternehmen trotz «business-Plänen», «Konzepten» und «Strategien» am Anfang im Ungewissen tappt und seinen Tritt erst noch finden muss.
Ich habe gezögert und nochmals Revue passieren lassen, was mir die «Republik» in diesem ersten Jahr vorsetzte, respektive, was ich zur Kenntnis nahm. Es fing leid an: die Zumutung des ersten Leitartikels, das ausgespreizte Damengezänk aus Amerika, die deutsche Harvard-Professorin, die unwidersprochen dem «Patriotismus» das Wort redete etc. Mein Interesse ebbte dann ab, aber vor einigen Tagen stiess ich beim Zurückblättern auf ein Interview mit Paul Rechsteiner und war wieder begeistert. Gewiss, es half der «Akzeptanz», dass er er die Dinge auf den Punkt brachte, wo ich sie ebenfalls sehe. Aber hier schien ein andres schweizerisches Politikbewusstsein auf als das gewohnte – um eine europäische Dimension erweitert, ohne sich vom nationalen Nein bestimmen zu lassen. Das ist selten in der Schweiz, und noch seltener zu lesen.
Nur. Im selben Interview wurde eben auch deutlich, woran Euer Produkt krankt. Die Fragesteller waren nicht auf der Höhe der Diskussion. Sie schienen überrumpelt, dass es zwischen der gewohnten SVP-Enge und dem globalen Klatsch (WEF, Trump, «metoo»…) ein politisches Aktionsfeld gibt und geben könnte, ein europäisches Aktionsfeld, das sich auf unseren Platz auf dem Kontinent konzentriert, sei es mit, gegen oder ohne die Union. Hier wäre der Ort für die «Republik» , die ich mir wünschte. Dort ist sie leider nicht. Sie operiert, wie schon andere Zürcher Magazine, nach dem Prinzip «wer vieles bringt, wird manchen etwas bringen»: Watson.ch ohne Witz. Vielleicht vernebelt sie sich die eigene Sicht durch lokale Befasstheiten, globale Räusche oder individuelle Weltenbummeleien. Hat jemand auf der Redaktion einmal zusammengezählt, wie «unterwegs mit Nahr» ökologisch so zu Buche schlägt?
Ich setzte als Abonnent nun erst einmal aus und mache als «Verleger» eine Investitionspause.
Mit bestem Gruss
Johann
Sehr berechtigte Kritik am linksliberalen Ansatz, der den sich akut stellenden dringenden existenziellen Fragen ausweicht. Angesichts der Krise jedes kritischen Journalismus in der Schweiz und global, finde ich den Mut zur «Republik» dennoch weiterhin unterstützungswert. Potential ist im Sinne der Kritik ist ja reichlich vorhanden.