“Hi – können Sie mir einen Mahomes machen?”

Ah, not really

“Ist mein Haar zu kurz?”

“Ja, ist es. Wir können Ihnen die Seiten schneiden wie bei Mahomes”.

“Ich möchte den Mahomes auch oben. Was ist, wenn ich es etwa zwei Inches wachsen lasse?”

“Patrick Mahomes hat oben sehr starke Locken, I don’t think so.”

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Die Matte ist zu schütter. Kein Mahomes für diesen Kunden, das Kassengirl im Purple Label Barbershop ist ehrlich. Das kann sie sich gut leisten: Seit die Kansas City Chiefs auf den Pfad zur Super Bowl eingeschwenkt sind, brummt das Geschäft im Purple Label Barber Shop. Jeder will sich hier den Mahomes schneiden lassen. Auf den Wartebänken spielen vier Halbwüchsige und ein Mittdreissiger mit ihren Telefonen, durch den Eingang kommt ein Vater mit einem Buben, innen sind die Sessel alle besetzt. Beim Besuch im Altersheim The Forum erklärt eine Angestellte: “Mein 5jähriger Grossenkel wollte den Mahomes, er sieht gut aus”.

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Im Heim arbeitet alles im Chiefs-Shirt, die Superbowl-Party ist vorbereitet, für die Belegschaft gilt ein . appropriate jeans …. no holes, tears etc. Der Price Chopper nebenan verhökert die AFC-Championship-Leibchen, die am Sonntag wertlos werden, wenn die Chiefs gewonnen haben. Jeder Drugstore hat Chiefszeug im Angebot, die Partyservices laufen auf Hochtouren, die Radiowerbung schliesst mit “Go Chiefs!”. Undsoweiter, das Übliche. Das Spezielle ist der Haarschnitt von Quarterback Patrick Mahomes, das 24jährige neue Wunderkind im Football. Verglichen mit den gekünstelten Kreationen schweizerischer Fussballnationalspieler ist der Mahomes schlicht und praktisch: Auf der Seite halbrasiert, oben ein halblanges Gewusel in alle Richtungen. Eine Art Mohawk, sagen die Haarexperten. Es braucht Locken, drahtige. Der Preis ist 25 Dollar.

 

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“Haben Sie auch ältere Männer, die sich den Mahomes schneiden lassen?”

Oh yes there are older guys”.

“Über 60?”

“Vielleicht ein bisschen jünger”.

 

Der Purple Label Luxury Barbershop liegt 35 Kilometer ausserhalb von Downtown Kansas City. Eine kleine Einkaufszeile Ecke 119th und Quivira in Overland Park, die Ausfächerung der uniformen developments in die unendlichen Landreserven des Westens. Oberhalb des Eingangs steht BARBER, in Grossbuchstaben. Das Kennzeichen der amerikanischen Barbiere, die rotweisse Drehsäule, fehlt. An der Türe steht “multicultural haircuts”.  Haarkünstler DeJuan Bonds, seit Jahren im Dienst der Football-Chiefs, signalisiert damit, dass seine Kreation nicht nur schwarzen Sportgrössen offensteht, sondern auch den weissen Jungs hier in den suburbs, wo er vor zehn Jahren aufmachte. Patrick Mahomes ist einer der Profis, die die Kundentreue wahren. Im edel ausgestatteten Salon hängt sein Leibchen, auf dem Spiegel prangt ein Filzstiftdank.

 

Dass ein Laden wie Purple Label in die Ödnis der suburbs zieht, ist Normalität. Denn wie in manchen amerikanischen Städten ist downtown ist noch öder. Zudem ist die Stadt ein kompliziertes Gebilde. Statistisch gesehen (“metropolitan area”) gibt es ein Kansas City , aber es spreizt sich über zwei Bundesstaaten. Genau gesagt, gibt es zwei davon, eines im Osten in Missouri, das andere im Westen in Kansas. Dem ungeschulten Auge, vielleicht auf der Fahrt über Interstate von Overland Park KS im Süden über den Missouri River nach Norden, scheint der Westen kleiner und besser gestellt und der Osten grösser und ärmer. Aber man wird belehrt, dass das Ganze viel, viel komplexer ist, und es neben dem wohlhabenden Mission Hills in Kansas auch sehr stattliche ‘burbs in Missouri gebe. Sei dem wie es wolle, die grosse Unterhaltung in Kansas City findet sich in Missouri: Die Stadien für Baseball und Football (die Chiefs spielen nicht in Kansas, sondern in Missouri), die Nelson Art Gallery, das Kauffman Center for the Performing Arts, das nationale Erster-Weltkrieg-Museum – allesamt spektakuläre Orte und Sehenswürdigkeiten, aber Eilande in einer weiten urbanen Tundra. Overland Park in Kansas (200000 Einwohner) dagegen wurde vor kurzem zur most liveable city in America erkoren.

 

Kansas City, mit dem Umfeld, hat rund 2 Millionen Einwohner und ist für ein Sportunternehmen kein grosser Markt. Neben den Chiefs gibt es Profiteams im Baseball und im Soccer-Fussball, aber weder Basketball noch Hockey.  Mit Meistertiteln ist die Stadt nicht verwöhnt. Die letzten gab es im Baseball, 2015 und 1985 für die Kansas City Royals. Die Super Bowl hat Kansas nur einmal gewonnen, anno 1970. Entsprechend hoch steigt das Fieber.Auf die Schweiz übertragen vielleicht so, wie wenn der Kloten Hockeymeister würde. Oder Olten.

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Kommt hinzu, dass sich für die Chiefs ein Fenster schliesst. Der junge Mahomes spielt die letzte Saison für sein Anfängersalär von rund 4 Millionen Dollar pro Jahr. Nach dem Spiel vom Sonntag wird neu verhandelt, und Experten rechnen mit einer Verzehnfachung des Lohns. Weil die Profi-Liga die Lohnsumme der Teams limitiert (salary cap) wird den Chiefs somit weniger Geld für andere Spieler zur Verfügung stehen. Deshalb gilt: Jetzt oder nie.