Lotzwil, 3 Mar 2020

 

 

Das hier soll aufgeschrieben werden, bevor die Ergebnisse von Super Tuesday vorliegen. Also bevor zum ersten Mal gemessen wird, wieviel die Umfragewerte des Kandidaten Mike Bloomberg wert sind. Will heissen: Wieviel Wählerwille Mike sich mit der halben Milliarde Dollar TV-Werbung erkauft hat.

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Das erste greifbare Zeichen der Bloomberg-Kampagne (Bloomberg 2020, Inc.) sah ich am 8. Februar in Milwaukee/Wisconsin im Vorgarten eines bescheidenen Hauses in Garden Homes, einst geplantes Vorzeigeprojekt der sozialistischen Stadtverwaltung und heute sanierungsbedürftige lower middle class. Im Speckgürtel von Detroit sah ich das erste campaign office, in Bloomfield Hills, Ecke Woodward und Square Lake, neben dem hervorragenden libanesischen Restaurant “La Marsa”. Auf der Rückfahrt nach Kansas sang der Schauspieler Michael Douglas in einem Radiospot das Hohelied Mike will get it done: Mike, der Junge aus dem Mittelstand, der sich hochgearbeitet hat. Einer, der nicht rechts oder links steht, sondern die richtigen Leute zu finden weiss, um “gute Ideen” vorwärtszubringen. Seit dem Wahldebakel in Iowa ist es in Amerika kaum mehr möglich, sich dem Monsun der Mike will get it done Werbung zu entziehen. Überall, auch dort wo gerade nicht vorgewählt wird.

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Egal wie gut der Macher Mike und seine Ideen sein mögen: Der Bürger Michael Bloomberg hat zur Demokratie dasselbe Verhältnis wie der Freier zur Frau. Sie wird gekauft, um gebraucht zu werden. Bloomberg kauft sich seinen Platz auf den Wahlzetteln mit Werbe-Millionen. Koste es, was es wolle. Die Rede ist von einer Milliarde Dollar bis zum Ziel. Alles aus dem eigenen Sack. Das ist mehr,als Donald Trump für seine Wahl ausgab. Neben Bloomberg (angeblich 55 oder 56 Milliarden Dollar ”wert”) ist Trump ein kleiner Adabei. Servelatprominenz in der Milliardärsklasse.

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Im Bekanntenkreis ist das durchaus ein Thema. Nicht wenige amerikanische Bekannte, die den Demokraten zugeneigt sind und für Bloombergs Leistungsausweis als Geschäftsmann und Bürgermeister von New York viel übrig haben, stossen sich am Kaufrausch des Kandidaten. Die Fernseh-pundits dagegen reden lieber von stop and frisk. So hiess das Vorgehen der New Yorker Polizei gegen die hohe Kriminalität in der Stadt: Verdächtige werden ohne konkreten Grund aufgehalten (stop) und durchsucht (frisk) – einerseits, um Täter zu finden und anderseits, um abzuschrecken. Im Visier waren haupsächlich farbige junge Männer. Das hatte seinen guten Grund: Diese Bevölkerungsschicht stellte den Hauptharst der Kriminellen. Aber stop and frisk verletzte Persönlichkeits- und Bürgerrechte, vor welchen die Polizei keinen grossen Respekt zeigte. Unsere Bekannten in Harlem haben dazu eine Geschichte: Sie hatten einen Handwerker angestellt, weiss, und schickten ihn am Mittag, um eine Pizza zu holen. Er kam erst nach über einer Stunde zurück, weil er der Polizei in die Hände gefallen war. Er hatte einen Kollegen getroffen, schwarz, und mit ihm ein paar Worte gewechselt. Die Polizei dachte, wie die Polizei denkt: Harlem/schwarzer Mann mit weissem Mann/Drogenhandel. Die beiden wurden gestoppt,.in Plastikhandschellen gelegt, befragt, gefriskt, und wieder befragt, bevor sie laufen gelassen wurden.

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Bloomberg entschuldigt sich nun für stop and frisk. Es sei dabei “übertrieben” worden, man habe gelernt, er werde es nie mehr machen. Etcetera. Nur lahm verweist er auch auf die erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung in New York während seiner Bürgermeisterschaft. Damit beugt der Kandidat sich dem heutigen Dogma in der Demokratischen Partei. Seinerzeit jedoch, vor zwanzig, dreissig Jahren sah das alles etwas anders aus. Es war unbestritten, dass Kriminalität nicht einfach vom Himmel fällt, sondern in bestimmten Milieus unter bestimmten Bevölkerungsschichten angesiedelt ist und dort angegangen werden muss. Auch mit staatlicher Härte und Gewalt. Dem ging eine lange linke Debatte voraus, in welcher  Präsident Clintons crime bill ihren Ursprung hatte, die vom demokratischen mainstream reihenweise sekundiert wurde. Mike Bloombergs Entschuldigungen zeugen eher vom Gespür für wechselnde Windrichtungen als von politischem Rückgrat.

In diesem Richtungswechsel steht Bloomberg allerdings nicht allein. Wer etwas werden will in der heutigen demokratischen Partei, der muss der crime bill abschwören und Verständnis für ihre Opfer zeigen. Dagegen wird Trump den Schlachtruf law and order stellen. Wer da den Kürzeren zieht, zeigt sich am 3. November.

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Bloombergs Hauptargument heisst “Management”. It’s a managing job, sagte der Kandidat in seinem ersten Debattenauftritt über das Präsidentenamt. Mike der Manager will get it done. Er zieht “es” durch, was auch immer “es” ist. Aber Mike irrt. Die US-Präsidentschaft ist auch, aber bei weitem nicht nur ein Management-Job. Für einen Schweizer Bundesrat mag das zutreffen. Aber ein US-Präsident ist mehr als ein oberster Verwaltungsbeamter oder ein Premierminister. Er gibt den politischen Ton an, setzt die Akzente und weist die Richtung – auch und selbst wenn er vom Kongress noch und noch blockiert und gehindert wird. Wird Manager Mike in einem solchen Blockadefall das Volk mobilisieren, wie ein Präsident Sanders es verspricht oder der Tweeter Trump es tut? Schwer vorstellbar.

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Michael Bloomberg ist kein Trump. Im Gegensatz zu Trump ist er kein Windhund, sondern eine bona fide Erfolgsgeschichte. Er hat nie Konkurs gemacht. Er hat in zwölf Jahren Bürgermeisterschaft von New York viel mehr Gutes geschaffen als der Bauhai Trump mit seinen Appartementklötzen. Trump ist Langstrasse. Bloomberg ist Zürichberg. Trump ist Motorboot und Goldkette. Bloomberg ist Audemars Pictet und Segelyacht.

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In einem Punkt jedoch ist Bloomberg Trump. Er hat es in der ersten Debatte offenbart, als er Bernie Sanders wirtschaftliche Positionen als “Kommunismus” verschrie. Sanders hatte vorgeschlagen, den Mitarbeitern eine Mitbestimmung über die Geschicke grosser Firmen einzuräumen. Gefragt, ob er damit einverstanden sei, antwortete Bloomberg: «Absolut nicht. Ich kann mir nichts Besseres für die Wiederwahl von Donald Trump vorstellen als dieser Konversation zuzuhören. Das ist lächerlich. Wir werden den Kapitalismus nicht aufgeben. Wir haben das versucht. Andere Länder haben es versucht. Man nannte es Kommunismus und es hat schlicht nicht funktioniert”.

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So verzerrt beschreibt kein Demokrat die Vorstellungen eines Bernard Sanders. Das tut nur Trump. Lange bevor die Wahlkampagnen begannen, griff er seine Gegner pauschal als “Sozialisten” an. Sollte Bloomberg wider Erwarten nominiert werden, hätten die Amerikaner die Wahl zwischen zwei Greisen, die ökonomisch gleich denken – der eine ein Original, der andere eine Kopie. Wird sich lediglich fragen, wer wem welche Rolle zuzuschreiben vermag.