Curdin Brunold (69) war Lehrer in Ardez (Engadin, GR) und spielt Trompete und Alphorn. Er sagt, die Corona-Krise habe den schönsten Engadiner Winter seit 40 Jahren ruiniert.
Guten Abend, Curdin, schöne Überraschung, dass Du anrufst.
Danke. Ich habe gelesen, dass Deine Frau Barbara in New York festsitzt und wollte wissen, wie Ihr zurande kommt.
Danke, es geht. Ich habe es hier im Dorf gut. Sie weniger. Und Du?
Uns geht es gut. Wir gehen in Ardez spazieren, es sind ja nicht so viele Leute hier. Im Dorf haben wir es gut. Meiner Cousine in Paris geht es schlechter. Sie sitzt in ihrer Wohnung fest und sorgt sich um ihre Versorgung.
Etwas abgelegen sein, könnte jetzt ein Vorteil sein.
Wir sind weniger abgelegen als Du denkst. Es gibt absurde Situationen. Ein Bekannter von mir ist mit einer Frau aus Wuhan verheiratet. Kurz vor Ausbruch der Pandemie reiste sie dorthin, ihre Familie besuchen. Dann steckte sie in China fest. Sie wurde mit einer französischen Aktion nach Paris evakuiert und musste 14 Tage in die Quarantäne. Dann wurde sie in die Schweiz gebracht, bis vor die Haustüre, und musste wieder 14 Tage in Quarantäne. Als sie herauskam, erhielt sie eine Mitteilung Behörden: Sie solle besser zuhause bleiben, weil im Engadin das Virus umgehe.
Arbeitet Anna Chatrina?
Ja, einen Tag im Büro, allein, den anderen Tag im Home-Office.
Ihr habt ja das schöne Maiensäss.
Da gehen wir viel hinauf. Auf der Sonnenseite kann man hinauffahren. Ich spiele dort Alphorn. Ich werde Dir ein Video schicken – ich selber kann es nicht so gut, aber Anna Chatrina wird es wohl fertig bringen. Ich habe schon daran gedacht, einmal mit einem Kollegen zu spielen, einem guten Trompeter. Die Kirchen sind ja leer….
Curdin, nein! Drinnen ein Blasinstrument spielen ist sehr gefährlich. Wir machen es anders: Ein Freund und ich gehen am Nachmittag an einen Waldrand und spielen dort den Hasen und den verirrten Wanderern. Nimmst Du die Seuche zu wenig ernst?
Am Anfang vielleicht schon. Dann hat meine Tochter uns unter Tränen angefleht, aufzupassen. Ich ging dann nicht mehr in die Musikprobe, und mit dem Grosskinderhüten ist es auch nichts mehr.
Kennst Du jemanden, der krank ist?
Mein Cousin. Er ist 80 Jahre alt und musste ins Spital. Aber es geht im besser.
Habt Ihr viele Fälle im Engadin?
Im Oberengadin gibt es sehr viele Fälle, die meisten im Bündnerland. Dort traten auch die ersten Fälle auf. Namentlich zwei Junge aus Mailand. Als die Sache in Oberitalien los ging, sind die reichen Mailänder mit ganzen Familien in ihre Zweitwohnungen im Oberengadin gezogen und haben weitergemacht, wie wenn nichts wäre. Am Anfang haben die überhaupt nicht aufgepasst, mit Parties und Festen und dergleichen. Wir waren alle aufgebracht. Jetzt müssen sie sich wohl an die Anordnungen halten.
Und die Zweitwohnungsgäste im Unterengadin?
Wir wollen sie jetzt nicht. Wir sehen die Lage wie der Bundesrat: Zuhause bleiben.
Wie steht es um den Tourismus?
Er ist tot. Wir hatten den besten Winter seit 40 Jahren, herrlichen Schnee. Auch jetzt wären die Verhältnisse sehr gut. Und plötzlich kam ein abruptes Ende.