Banken beschliessen in diesen Tagen, Millionen von Franken als Dividende an ihre Aktionäre auszuzahlen. Das ist verkehrt. Richtig wäre, die Dividenden denjenigen zukommen zu lassen, denen die Corona-Krise die Existenzgrundlage nimmt.

Wer etwas Geld auf der Seite hatte, kaufte früher einen “Kassenschein”. Die Bank machte mit dem Geld, was sie wollte und zahlte für eine fixe Laufzeit einen fixen Zins. Das war eine gute Sache für Leute wie mich, die lieber arbeiten als aus Geld mehr und immer noch ein bisschen mehr Geld zu machen. Heute geht das nicht mehr. Man muss “anlegen”. Wenn man Glück hat, wird man “beraten”, und die Beratung besteht darin, dass die Bank einem erklärt, für derart kleine Fische gebe es nicht die grosse Auslese, sondern nur eine beschränkte Zahl von “Produkten”, die man dann erwirbt. Die Bank macht mit dem Geld, was sie will und zahlt keinen fixen Zins. Die Laufzeit ist nicht fix, sondern dem Ermessen des zu Freiheitlichkeit und Entscheidungsfreiheit verurteilten Kunden überlassen. Leute, die lieber arbeiten, sind dazu verdammt, herauszuwürmeln, wie sich aus Geld mehr und immer noch ein bisschen mehr Geld machen lässt.

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So wird man Aktionär.

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Ich bin auch einer. Wurde Aktionär bei der kleinen Clientis-Bank in meinem Krähwinkel, weil ich dort ein “Aktionärskonto” habe, das dem Inhaber allerlei kleine Vorteile bietet. Wurde auch Aktionär bei der UBS, weil mir ein Cousin, der dort arbeitete, anno 1995 für 8000 Franken UBS-Aktien andrehte. Daran werde ich jedes Jahr bei der Steuererklärung erinnert, was jeweils zum Entschluss führt, das Zeug zu verkaufen, der jeweils umgehend vergessen wird. Jetzt ist der Schrott noch ungefähr ein Drittel wert, die Geldentwertung nicht eingerechnet.

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Aktionäre werden im Frühjahr zu den jährlichen Aktionärsversammlungen eingeladen – jetzt. Wegen der Coronakrise finden sie dieses Jahr in absentia statt. Man erhielt per Post einen Antrag, den man per Post annehmen oder ablehnen konnte. Die Anträge wurden vor den Corona-Massnahmen formuliert und tun so, als sei nichts geschehen. Es wird die Ausschüttung einer Dividende vorgeschlagen. Bei der UBS sind auch die Tröge für die Bonus-Berechtigten platschvoll.

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Neid ist total angebracht. Empörung und Rage auch.

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Aktionäre sollen also eine Dividende erhalten. Dass die entsprechenden Anträge angenommen werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Beschlüsse von Aktionärsversammlungen sind ähnlich voraussehbar wie Abstimmungen in Obersten Sowjets.

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Über die Gehälter und die Boni bei der UBS müssen wir nicht reden. Sie sind ungerechtfertigt, unangemessen, ungehörig, unverschämt (und weitere Adjektive, die mit “un-“ beginnen). Über die Dividenden sollte man hingegen reden. Zu einer Zeit, da die grösste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit anrollt, da hunderte von kleinen Unternehmen unter den Uelikrediten zusammenbrechen werden, da tausende von Freiberuflern durch die Maschen des finanziellen Hilfsnetzes fallen – in dieser Zeit der allgemeinen Not verteilen Banken Millionen von Dividendenfranken an Leute wie mich, die dieses Geld weniger brauchen, weil es ohnehin nur ein paar Franken ausmacht. Ausgerechnet die Banken: Sie profitieren am meisten von den Uelikrediten, denn je mehr ihrer Kunden vor dem unmittelbaren Bankrott bewahrt werden, desto weniger bleiben sie auf unmittelbaren Verlusten sitzen.

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Also: Es ist lätz, in dieser Zeit Dividenden auszuschütten und nicht richtig, solche anzunehmen. Richtig wäre, das Dividendengeld dort einzusetzen, wo es nötig ist. Private Unternehmungen können das und tun es auch.

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Warum gibt es keinen Notfallfonds, gespiesen aus Dividendengeld? Eine Geldquelle für diejenigen, die zwischen die Ritzen fallen? So etwas wie eine Stiftung, aber auf die kurze Frist angelegt?

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Mit der UBS habe ich darüber gar nicht erst gesprochen. Als kleiner Fisch kommst Du denen nur ins Gesichtsfeld, wenn ihre Juristerlein Angst haben, dass Du irgendeine Bestimmung der ausländischen Geldwäscheaufsicht geritzt haben könntest. Die Lokalbank ist ein anderer Fall. Der Clientis-Bank habe ich meine Idee vorgetragen. Sie finden die Idee sympathisch. Sie erkennen Sinn darin. Sie sehen – ganz berechtigt – einen möglichen Werbevorteil: Ein Clientis-Fonds für akute Coronnotlagen liesse sich als Sympathieträger ins Feld führen.

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Aber es geht nicht, sagen sie. Sie nennen Gründe. Erstens könne man einer Aktionärsversammlung, die nur virtuell stattfindet, ohne Mitsprache, Antrag und Diskussion, kurz vor dem Termin nicht einfach neue Anträge unterbreiten. Zweitens sei das Aktionariat schwierig zu erreichen – es gibt rund 6000 Aktionäre, die allermeisten mit ganz kleinen Anteilen. Drittens habe ein Notfonds nur dann einigermassen Gewicht, wenn der weitaus grösste Aktionär mitmacht. Viertens sei der weitaus grösste Aktionär die Burgergemeinde Huttwil, die auch nur dann entscheiden kann, wenn sie eine Burgergemeindeversammlung abhält. Fünftens käme die Bank in Befangenheitsprobleme, wenn sie die heiklen Entscheide über die Verwendung der Notfondsbatzen verfügen müsste.

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OK, den “Clientis-Fonds für akute Coronanotlagen” kann man streichen. Aber sonst ein Fonds für akute Notlagen? So etwas wie die Kollekte am Ausgang – ein Auffangbecken für gespendete Dividenden? Auch kleine Sümmchen könnten dort überwiesen werden, anstatt im privaten Geldsäckel zu versichern. Kleinvieh gibt auch Mist. Über die Verwendung der Mittel könnte ein kleines Gremium entscheiden. Wenn über 13 000 Schweizer Stiftungen das zustande bringen, müsste es gehen.

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Es ist eigenartig, dass sich im gewaltigen Chor der Experten, Wirtschaftssachverständigen, Finanzfachleute, Kommentatoren, Fernsehköpfe, “Beobachter” keine Stimme erhebt, um die Dividendenmillionen der Kleinen abzuschöpfen.

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Ich werde meine paar Dividendenfranken (steuerfrei) spenden. Entweder an eine Stammbeiz (wenn ein paar andere mitmachen). Oder dann an ein kleines Medium. Die gibt es nicht mehr hier in der Gegend. Nur tamedia-Eintopf und Blocher-Gratisware. Ich denke an das Online-Magazin watson.ch.