Jan Schiele (45) ist der Gründer und Geschäftsführer von Lucid.Studio, einer Firma für interkulturelle digitale Kommunikation in Berlin. Seit diesem Sommer lebt er mit seiner Familie in Pamplona (Kolumbien), dem Heimatland seiner Frau.
Hallo Jan, ich wähnte Dich in Berlin und stelle fest, dass Du Dich am anderen Ende der Welt befindest. Warum gerade Pamplona?
Meine Frau Marcela ist ja Kolumbianerin. Sie hat in Berlin ihren Doktor in urban history mit einer Arbeit über nachhaltige Wasserversorgung im ländlichen Gürtel um Mega-Städte gemacht. Darauf erhielt sie eine Stelle als Direktorin eines von internationalen Geldern gespiesenen Wasserfonds in Cúcuta, einer kolumbianischen Stadt an der Grenze zu Venezuela. Wir fanden ein Haus in der Universitätsstadt Pamplona, etwa 70 Kilometer entfernt.
Wie wohnt Ihr dort?
Wir haben es ziemlich gut hier. Pamplona ist eine sehr grüne Stadt, etwa 50 000 Einwohner. Wir leben in einem conjunto, auf Englisch heisst das gated community, einer abgeschlossenen Wohnsiedlung. Wir wohnen auf drei Stöcken, meine Frau, die beiden Kinder, die Schwiegereltern und ich.
Es tönt alles ganz normal.
Es war ein grosses Abenteuer und ist es immer noch. Die Familie verliess Berlin früher, im Februar 2020. Zunächst nach Bógota, dann Cúcuta. Dann ging es los mit Corona und dem lockdown. Sie haben es gerade noch geschafft, das Haus in Pamplona zu finden und einzuziehen. Ich wollte eigentlich im Mai fliegen, aber das ging dann nicht mehr. Es wurde Juni, bis es endlich klappte.
Wie war die Reise unter Corona-Bedingungen?
Bis zuletzt stand auf der Kippe, ob ich überhaupt reisen konnte oder nicht. Noch im Flughafen Frankfurt wurde in Frage gestellt, ob ich einchecken durfte, obwohl ich alle nötigen Papiere hatte. Der Flug selbst war normal, ausser, dass man natürlich eine Maske tragen musste. Nach der Ankunft verbrachte ich eine Nacht in Bogotá, dann ging es 10 Stunden mit dem Auto nach Pamplona, über einen 3600 Meter hohen Pass. Ich war völlig fertig, als wir ankamen.
Wie verhalten sich die Kolumbianer in der Corona-Pandemie?
Kolumbien ist mit über 200 Neuinfektionen pro Million Einwohner ganz oben dabei. Die meisten Fälle sind in Bogotá, von wo besorgniserregende Nachrichten eintreffen. Covid-19 ist immer ein Thema. In unserer Siedlung achten alle darauf, die Krankheit nicht einzuschleppen. Wir sind vorsichtig bei Begegnungen mit anderen und treffen uns vor der Haustüre.
Wie reagiert die Regierung?
Es gibt einschneidende Regeln. Hier in Pamplona darf man nur von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends auf die Straße. Man kommt in Geschäfte nur hinein, wenn der Personalausweis die richtige Endziffer hat – für jeden Wochentag gibt es drei andere. Es gibt eigenartige Regeln. Man muss nicht nur Maske, sondern manchmal auch Handschuhe tragen. Beim Betreten eines Geschäfts wird das Fieber gemessen. In einigen werden die Schuhsohlen desinfiziert. Ich habe es auch erlebt, dass meine Autoreifen abgespült wurden.
Machen die Leute mit?
Ja, ausser beim Distanzhalten. Wir Mitteleuropäer achten auf Distanz gegenüber anderen Personen, aber für die Kolumbianer geht das nicht. Die verstehen das nicht. Die Leute sind die Einschränkungen auch müde, sie wollen zum normalen Leben zurück. Pamplona ist eine Universitätsstadt mit 20 000 Studenten. Normalerweise ist hier viel Betrieb, am Abend gibt es Musik auf den Plätzen, aber jetzt ist die Uni geschlossen und die Studenten sind zuhause. Es kommt hinzu, dass 60 bis 70 Prozent der städtischen Bevölkerung davon lebt, dass sie hinausgehen und irgendetwas verkaufen, um genug zu essen. Für diese Menschen ist lockdown eine Bedrohung, ja ein unmöglicher Zustand.
Sind die Schulen offen?
Nein, sie sind geschlossen. Wir haben für unseren Siebenjährigen einen Hauslehrer gefunden, der ihn zwei Stunden pro Tag unterrichtet.
Wo wird er in die Schule gehen?
Das wird ein Problem. Er ist bei der Cambridge School angemeldet, die einen sehr guten Ruf hat. Aber es ist alter Stil, eine konventionelle Eliteschule mit Schuluniform und Paukerei. Auch die Kleinen sollten 6 Stunden online lernen. Das wollen wir nicht. In Kreuzberg war unser Sohn auf der Fichtelgebirge-Grundschule, die sehr individualisiert unterrichtet und eine grosse Vielfalt von Möglichkeiten hat, um auf die einzelnen Schüler einzugehen. Wir suchen eine Alternative.
Erfährst Du andere kulturelle Unterschiede?
Oh ja. Wenn die anderen Jungs ihm sagen “Du bist ja voll das Mädchen”, versteht unser Kleiner das nicht. Er ist in Kreuzberg mit total starken Mädchen aufgewachsen. Dort hatten eher die Jungs zu kämpfen. Er hat in solchen Dingen auch kleine Konflikte mit seinem Grossvater.
Ihr seid Einwanderer. Wie werdet Ihr aufgenommen?
Sehr gut. Als Deutscher hat man in Kolumbien einen guten Stand. Die kennen Alexander von Humboldt besser als die Durchschnittsdeutschen. Wir werden auch nicht mit den gringos gleichgesetzt. Ich muss mir nur noch ein Fussballtrikot anziehen, um fast überall wohlwollend empfangen zu werden.
Spielst Du noch?
Ich liebäugle mit der Veteranenmannschaft im Verein hier die Straße runter. Aber eigentlich habe ich es nicht mehr so sehr mit dem Fussball. Ich wollte mir ein Rad kaufen, aber in meiner Grösse sind sie gegenwärtig nicht lieferbar.
Jan, ich wähnte Dich in Berlin und stelle fest, dass Du Dich am anderen Ende der Welt befindest. Warum gerade Pamplona?
Meine Frau Marcela ist ja Kolumbianerin. Sie hat in Berlin ihren Doktor in urban history mit einer Arbeit über nachhaltige Wasserversorgung im ländlichen Gürtel um Mega-Städte gemacht. Darauf erhielt sie eine Stelle als Direktorin eines von internationalen Geldern gespiesenenWasserfonds in Cúcuta, einer kolumbianischen Stadt an der Grenze zu Venezuela. Wir fanden ein Haus in der Universitätsstadt Pamplona, etwa 70 Kilometer entfernt.
Wie wohnt Ihr dort?
Wir haben es ziemlich gut hier. Pamplona ist eine sehr grüne Stadt, etwa 50 000 Einwohner. Wir leben in einem conjunto, auf Englisch heisst das gated community, einerabgeschlossenen Wohnsiedlung. Wir wohnen auf drei Stöcken, meine Frau, die beiden Kinder, die Schwiegereltern und ich.
Es tönt alles ganz normal.
Es war ein grosses Abenteuer und ist es immer noch. Die Familie verliess Berlin früher, im Februar 2020. Zunächst nach Bógota, dann Cúcuta. Dann ging es los mit Corona und dem lockdown. Sie haben es gerade noch geschafft, das Haus in Pamplona zu finden und einzuziehen. Ich wollte eigentlich im Mai fliegen, aber das ging dann nicht mehr. Es wurde Juni, bis es endlich klappte.
Wie war die Reise unter Corona-Bedingungen?
Bis zuletzt stand auf der Kippe, ob ich überhaupt reisen konnte oder nicht. Noch im Flughafen Frankfurt wurde in Frage gestellt, ob ich einchecken durfte, obwohl ich alle nötigen Papiere hatte. Der Flug selbst war normal, ausser, dass man natürlich eine Maske tragen musste. Nach der Ankunft verbrachte ich eine Nacht in Bogotá, dann ging es 10 Stunden mit dem Auto nach Pamplona, über einen 3600 Meter hohen Pass. Ich war völlig fertig, als wir ankamen.
Wie verhalten sich die Kolumbianer in der Corona-Pandemie?
Kolumbien ist mit über 200 Neuinfektionen pro Million Einwohner ganz oben dabei. Die meisten Fälle sind in Bogotá, von wo besorgniserregende Nachrichten eintreffen. Covid-19 ist immer ein Thema. In unserer Siedlung achten alle darauf, die Krankheit nicht einzuschleppen. Wir sind vorsichtig bei Begegnungen mit anderen und treffen uns vor der Haustüre.
Wie reagiert die Regierung?
Es gibt einschneidende Regeln. Hier in Pamplona darf mannur von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends auf die Straße. Man kommt in Geschäfte nur hinein, wenn der Personalausweis die richtige Endziffer hat – für jeden Wochentag gibt es dreiandere. Es gibt eigenartige Regeln. Man muss nicht nur Maske, sondern manchmal auch Handschuhe tragen. Beim Betreten eines Geschäfts wird das Fieber gemessen. In einigen werden die Schuhsohlen desinfiziert. Ich habe es auch erlebt, dass meine Autoreifen abgespült wurden.
Machen die Leute mit?
Ja, ausser beim Distanzhalten. Wir Mitteleuropäer achten auf Distanz gegenüber anderen Personen, aber für die Kolumbianer geht das nicht. Die verstehen das nicht. Die Leute sind die Einschränkungen auch müde, sie wollen zum normalen Leben zurück. Pamplona ist eine Universitätsstadt mit 20 000 Studenten. Normalerweise ist hier viel Betrieb, am Abend gibt es Musik auf den Plätzen, aber jetzt ist die Uni geschlossen und die Studenten sind zuhause. Es kommt hinzu, dass 60 bis 70 Prozent der städtischen Bevölkerung davon lebt, dass sie hinausgehen und irgendetwas verkaufen, um genug zu essen. Für diese Menschen ist lockdown eine Bedrohung, ja ein unmöglicher Zustand.
Sind die Schulen offen?
Nein, sie sind geschlossen. Wir haben für unseren Siebenjährigen einen Hauslehrer gefunden, der ihn zwei Stunden pro Tag unterrichtet.
Wo wird er in die Schule gehen?
Das wird ein Problem. Er ist bei der Cambridge School angemeldet, die einen sehr guten Ruf hat. Aber es ist alter Stil, eine konventionelle Eliteschule mit Schuluniform und Paukerei. Auch die Kleinen sollten 6 Stunden online lernen. Das wollen wir nicht. In Kreuzberg war unser Sohn auf der Fichtelgebirge -Grundschule, die sehr individualisiert unterrichtet und eine grosse Vielfalt von Möglichkeiten hat, um auf die einzelnen Schüler einzugehen. Wir suchen eine Alternative.
Erfährst Du andere kulturelle Unterschiede?
Oh ja. Wenn die anderen Jungs ihm sagen “Du bist ja voll das Mädchen”, versteht unser Kleiner das nicht. Er ist in Kreuzberg mit total starken Mädchen aufgewachsen. Dort hatten eher die Jungs zu kämpfen. Er hat in solchen Dingen auch kleine Konflikte mit seinem Grossvater.
Ihr seid Einwanderer. Wie werdet Ihr aufgenommen?
Sehr gut. Als Deutscher hat man in Kolumbien einen guten Stand. Die kennen Alexander von Humboldt besser als die Durchschnittsdeutschen. Wir werden auch nicht mit den gringos gleichgesetzt. Ich muss mir nur noch ein Fussballtrikot anziehen, um fast überall wohlwollend empfangen zu werden.
Spielst Du noch?
Ich liebäugle mit der Veteranenmannschaft im Verein hier die Straße runter. Aber eigentlich habe ich es nicht mehr so sehr mit dem Fussball. Ich wollte mir ein Rad kaufen, aber in meiner Grösse sind sie gegenwärtig nicht lieferbar.
Du führst Deine Berliner Firma von Kolumbien aus weiter. Wie funktioniert das?
Sehr gut. Mein Team hat zu Anfang stark gezweifelt. Aber die Coronakrise hat uns gelehrt, dass das geht. Wir arbeiteten während des lockdown zwei Monate lang alle von zuhause und waren recht erfolgreich. Unsere Kunden sind ja weltweit verstreut, aktuell in New York, Bern, Genf, Brüssel, New Jersey, Nigeria. Mit denen arbeiteten wir eh schon auf Distanz. Nun haben wir auch im Team untereinander erlebt, dass das ganz ok ist. Ich bin hier in Pamplona nur wenig in die konkreten Projekte eingebunden, die in Berlin laufen. Ich konzentriere mich als Geschäftsführer auf die strategischen Fragen und versuche, neue Kunden anzuwerben.
Ich wünsche Euch viel Erfolg!