Die New York Times berichtet aus Zürich über den raschen Abgang von Thidjane Thiam, dem obersten Chef von Credit Suisse. Thiam ist schwarz, ein Spross der obersten Elite der Elfenbeinküste, und war bis zu seinem Sturz der einzige Schwarze im Rudel der Grossbankiers, welche die Regierungen und die Welt an der Kandare haben.
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Der Artikel fokussiert auf Thiams Hautfarbe. Er erwähnt eine Geburtstagsparty für den Credit-Suisse-Präsidenten Rohner, bei der in Thiams Anwesenheit ein Schwarzer als Abwart auftrat und Rohners Freunde sich in Afro-Perücken produzierten. Er berichtet von einer Aktionärsversammlung, auf welcher eine uralte Aktionärin Thiams Bezug zur “Dritten Welt” als “Interessenskonflikt” in Frage stellte. Und vom Vorfall im Flugplatz Genf, wo ein Zöllner Thiams Pass zu sehen begehrte, obwohl dieser auf einem Inlandflug von Zürich nach Genf (ein Umweltskandal, der einem New York Times Reporter fremd ist) unterwegs war. Und das Geschnöde des Zürcher Finanz-Internets, das dem Afrikaner Missachtung der Swiss Proportionality vorwarf – heuchlerisch (Managerlöhne, 1:12-Initiative, Konzernverantwortungsintiative, anybody?). Nicht zu reden von den offen rassistischen Blog-Kommentaren, in denen Thiams Bezüge als “Entwicklungshilfe” diffamiert wurden.
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Klar, dass die von Thiam verantworteten Privatdetektivschnüffelaktionen falsch und hoffentlich gesetzeswidrig sind. Und einer, der von Zürich nach Genf das Flugzeug nimmt, verdient Häme und kein Mitgefühl. Aber hier geht es um Hautfarbe, nicht um Integrität. In ganz Zürich fiel offenbar keinem Berichterstatter auf, dass der CS-Chef seiner Schwärze wegen Probleme kriegte. Es brauchte die New York Times, um hier eine Thematik zu erblicken. Sie stellt gleich auch den Bezug zur Selektivität zwischen Weiss und Schwarz her: Hier die speditive Entfernung des Schwarzen Thiam aus Amt und Würden – dort die pflegliche Behandlung von Fehltritten weisser Kollegen in Amerika und Grossbritannien. Keine Schweizer, gewiss. Aber wie wäre mit einem Ospel verfahren worden, wenn er nicht aus Fasnachtsbasel, sondern aus der Elfenbeinküste an der Spitze der UBS gelandet wäre ?
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Zurück zum Thema, das die veröffentlichte Schweiz bewegt: Trump. Er hat das Virus, was nicht überrascht. Er ist ein wenig krank und wird es vielleicht noch etwas mehr. Millionen andere sind es auch, und wenn einer sicher sein kann, das Beste vom Besten an Pflege zu kriegen, dann der Caudillo.
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Für wessen Gesundheit der fromme Vizepräsident Mike Pence und mother jetzt wohl beten? Die eigene oder die des Chefs? Wenn Trump das Zeitliche segnet oder sonstwie amtsunfähig (erklärt) wird, ist Pence amerikanischer Präsident. Dann Gnadgott allem Abartigen.
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Es ist zu hoffen, dass der Allmächtige den Caudillo noch ein paar Wochen hienieden belässt. Nicht nur, weil ein Präsident Pence sich als kältere, schärfere Version des Trumpismus entpuppen könnte, sondern weil die Wahl vom 3. November in ein totales Chaos münden würde. In den USA wird nicht eine Partei gewählt, sondern eine Person. Die Kandidaten sind nominiert, die Wahlzettel gedruckt, oft versandt und zum Teil schon zurückgeschickt. Das Wahlsystem ist verworren, der Umgang damit ruchlos und zynisch – eine toxische Mixtur aus deutscher Prozesshanselei und südlicher Nonchalance. Es gibt über 10 000 Wahlbezirke, jeder für sich mit eigenen Regeln juristisch verantwortlich. Es wird – Trump hat recht – auf jeden Fall Unregelmässigkeiten und Versager geben (Iowa im Februar 2020, anybody), und hunderte, tausende von militanten “Wahlbeobachtern” werden alles daran setzen, den geregelten Ablauf der Wahl mit allerlei Krakeelerei zunichte zu machen. Das Wahlergebnis wird auf jeden Fall Sache von Gerichten werden. Fällt der Mann rechts oben weg – oder schlimmer noch: bringt das Virus auch Vize Pence zur Strecke – könnte es vollends unmöglich werden, einen Wahlsieger festzustellen. Wie in den oft belächelten Ländern des Südens – Venezuela zum Beispiel – werden sich konkurrierende Ansprüche gegenüberstehen. Dort hat gewöhnlich das Militär das gewichtige Machtwort. In den USA vielleicht noch der Oberste Gerichtshof, der in den kommenden Tagen solid konservativ zementiert wird.
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Nicht unsere Sache. Unsere Sache ist, die richtigen Lehren zu ziehen: Erstens: Demokratie funktioniert nur, wenn die Spielregeln klar und universal sind. Sie findet nicht auf der Strasse ode rim Internet, sondern an der Urne statt. Zweitens: Die Spielregeln sind kein Spielball von Fürsprechern. Sie werden vom Willen zur gemeinsamen Republik am Leben erhalten. Drittens: Was immer im “Westen” entsteht, hat mehr mit autoritärem Herrschertum als mit Demokratie zu tun. Es ist nicht unsere Sache. Unsere Sache liegt in Europa.