Die “Tampa Bay Times” ist wohl das einizge Blatt, welches die Titelseite nicht mit dem Kandidatenduell Biden gegen Trump aufgemacht hat. Die Schlagzeile sind die Lightning, die den Stanley Cup gewonnen haben. Im  Eishockey, am Ende des Sommers bei über 30 Grad. Früher war das eine Wintersportart. Heute schert sich keiner, wenn bei tropischer Hitze Eis hergestellt wird, um die Sportwirtschaft zu erhalten. Vielleicht findet die nächste Finalrunde im Ausland statt, global erweitert. Dubai?

***

Die Rays sind auch in den Playoffs. Baseball. Interessanter als der Wahlkampf, der mit der “Debatte” von Dienstagabend ein weiteres Rekordtief erreicht hat. 90 Minuten Gezänk und Gekeife. Wieviel das noch ausmacht, ist fraglich. Die Politik findet längst nicht mehr nur am Fernsehen statt, sondern in den “sozialen Medien”, wo das verbale Faustrecht gilt. Überdies war die Sendung langweilig wie ein anderthalbstündiger Ehestreit, der sich nach einer Viertelstunde in hässigen Wiederholungen erschöpft. Nicht lustig oder auch nur unterhaltsam. Bis anhin gehörte zum erfolgreichen amerikanischen Polit-Auftritt ein Schuss Humor. Diese Ü-70-Auswahl hat keinen.

***

Langweilig, weil repetitiv, sind auch die endlosen Kommentare und Bewertungen. Bei CNN verzichteten die pfiffigsten Juroren, Sieger und Verlierer der Darbietung zu benennen. Bei Fox hielten sich die Verlegenheit über den Auftritt des Caudillo und die Verzweiflung, Genöle etwas Positives abzugewinnen, die Waage.

***

Die allermeisten Meinungen sind gemacht. Rechts wählt Trump, weil er Trump ist. Anders als vor vier Jahren ist sein Güllengestank nicht mehr ein Grund zu zögern oder sich bei der Stimmabgabe die Nase zuzuhalten. Es gibt keine Republikanische Partei mehr, sondern nur noch eine Gefolgschaft des Führers. Wer abspringen wollte, hat es getan. Links muss mit Biden vorlieb nehmen, weil er Trump nicht ist. Tertium non datur. Wer noch zaudert, weil er dem 77jährigen Greis die Amtsfähigkeit nicht zutraut, kann beruhigt sein. Der Mann ist imstande, neunzig Minuten zu stehen, zuzuhören und mehr oder weniger kohärent zu reden. Er ist nicht seniler als sein Gegner irre ist.

***

Unter dem Strich geht es nicht um Stilnoten, sondern darum, wer die USA in den kommenden vier Jahren regiert. Normalerweise wird anhand von Konzepten, Vorschlägen, gelegentlich “Visionen” entschieden: Man will vom Kandidaten wissen, “wofür er steht”, wie es heisst. Nüchtern betrachtet, hat Trump hier klarere Signale gegeben. Er steht zuallererst für Trump. Dann für Trump. Dann für die möglichst ungehinderte Entfaltung eines Wirtschaftslebens, welches der französische Ökonom Piketty als Piketty als “Hyperkapitalismus” beschreibt. Und dafür, das amerikanische Justizwesen so in die reaktionäre Zange zu nehmen, dass es auf Jahrzehnte hinaus gefügig bleibt. Biden? Von ihm drang durch, was demokratische Wahlkämpfer gewöhnlich von sich geben: Einstehen für den kleinen Mann, bessere Krankenkassen, ein wenig Ökologie, ein wenig ökonomische Gerechtigkeit. Im Amt bleibt meist nicht viel davon. Was der Nicht-Trump Biden politisch unternehmen wird, liegt im Dunst.

***

Das ist wohl Kalkül: Jetzt nur niemanden verbiestern. Im Moment geht es um den Mann, nicht um issues oder die vielgerühmten “Inhalte”. In der Schweiz wissen wir, wie das geht. So wurde seinerzeit die Abwahl Blochers orchestriert. Gross war die Empörung damals, als der Kommunist Zisyadis in der Vereinigten Bundesversammlung das Szenario ausplauderte.

***

Unter dem Strich ist das Produkt dieses Wahlkampfs erbärmlich. Nehmen wir die Klimaerwärmung – mit Fug die grösste Bedrohung unserer Welt in den kommenden Generationen. Rechts steckt den Kopf in den Sand, links entwirft autofreie Phantasien, die internationale Politik schliesst immer ehrgeizigere, immer weiter in die Zukunft verlegte Abkommen, welche von den nationalen Politiken halbherzig vollstreckt werden. Die USA, als treibende Kraft, könnte hier Weichen stellen. Was kam aus der “Debatte” heraus? Trump wollte uns glauben machen, das Problem gehe weg, wenn die Böden der kalifornischen Wälder besser aufgeräumt würden. Das ist kein Witz, er sagte es wirklich, wiederholt. Die Fussnote dazu: Viele  der brennenden Wälder Kaliforniens sind im Besitz seiner Bundesregierung. Biden? Seine klarste Aussage ist die Distanzierung vom green new deal der Linken, der – vielleicht – den heissen Trend brechen könnte.

***

In Amerika ist Schmalhans der politische Küchenmeister. Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern stehen vor der einer Auswahl zwischen Gammelfleisch und mehrfach aufgewärmtem Hackepeter. Wir, die Aussenstehenden, müssen da nicht zugreifen. Aber wir könnten mitwählen – allerdings nicht von dieser Speisekarte. Wir, die Europäer,  sollten sie beseitelegen und ein eigenes Menu entwerfen. Europa stark machen, selbstbewusster und unabhängiger von einem Partner, der nicht nur unzuverlässig geworden ist, sondern auch auf dem Weg, schwächer zu werden. Wir, die Schweizer, sollten nicht abseits stehen. Wir liegen mitten in Europa. Wir könnten die 6 Fliegermilliarden, wenn schon, auf dem eigenen Kontinent ausgeben. Und die Chimäre vom “Freihandelsabkommen” mit den USA auf die Seite legen.

***

Gott sei Dank, dass es noch Baseball gibt.