Das einzige Thema ist Trumps Infektion. Wie schlimm hat es ihn erwischt? Was lässt sich aus den löchrigen Verlautbarungen zusammenreimen? Wie geht es weiter? Auf allen Kanälen dasselbe Werweisen. Der neue news-Zyklus geht so: Twitter zuerst, den ganzen Tag. Auf dem Fuss das amerikanische Fernsehen. Am späteren Abend die elektronischen Ausgaben der (west)europäischen Presse, die wiederkäut, was das amerikanische Fernsehen zur Nachricht machte. Am nächsten Morgen die – wenigen – gedruckten Zeitungen in Amerika, die yesterday’s news nachhecheln. Und wieder Twitter, weltweit. Auffällig: Die Europäer scheinen der Vorstellung mehr Raum zu geben, die Trumpinfektion sei blosse Schau – je nach lesart, um eine schlimme Erkrankung zu verschleiern oder eine inexistente vorzugaukeln, um den Caudillo im Rampenlicht zu halten.

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Wir sollen die Wohnung nur spärlich und sorgsam verlassen. Corona. Deshalb ist es schwierig herauszufinden, was die Leute nun so meinen. Mit Sicherheit ist das allenorts protokollierte Mitleid mit Krokodilstränen gewürzt. Manche wünschten nun gute Besserung, nachdem ihr “erster Wunsch” in Erfüllung gegangen sei, meinte der news anchor in der Satireshow Saturday Night Life.

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Aus erster Hand können wir lediglich Episoden mitteilen. “Seit Trump krank geworden ist, hat sich hier niemand mehr gezeigt”, erklärte der Manager unseres Fitnessclubs am Samstag. In der Strandbar zeigt sich ein Mann aus Tennessee am Sonntagnachmittag unaufgeregt: “Er hat eine Grippe”, erklärt er uns den präsidialen Infekt. “Vielleicht eine etwas schwerere Grippe, aber eine Grippe”. Wir mokieren uns gemeinsam über eine Dame, die mit der Maske vor dem Gesicht ins Wasser steigt. Der Mann erzählt, er sei soeben auf der Toilette gewesen. Sein Stehnachbar habe nach Beendigung des Geschäfts die Maske übergestreift, “ohne sich die Hände zu waschen. Das habe ich lange vor Corona gelernt”.

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Die Trump-Kampagne schiesst aus allen Rohren. Eine Stalinorgel an Propaganda, auf zwei Ziele gerichtet. Das erste: Wir müssen da durch, “die Wirtschaft” darf nicht gelähmt werden, das Volk braucht Arbeit (people want their places to be open, sagte Trump in der TV-Debatte – people want to be safe, sagte Biden). Das zweite Ziel: Man muss das Virus ernst nehmen, man soll die Krankheit nicht belächeln, Vorsicht ist Pflicht, der Führer hat es am eigenen Leib erfahren und durchgemacht.

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Gemessen an Trumps bisherigen Äusserungen ist das ein Hohn – aber nichtsdestoweniger die letzte Gelegenheit, den Caudillo von den Gaga-Elementen seiner Anhängerschaft zu lösen und wenigstens in Rufweite der Wählermehrheit zu bewegen. Die Infektion ist die einzige Plattform, auf welcher Trump eine solche Pirouette mit einem Mindestminimum an Glaubwürdigkeit drehen kann. Wie Boris Johnson in England. Das Risiko, die eigene Gefolgschaft zu enttäuschen, ist beträchtlich: Trumpisten verzeihen dem Führer jede Extravaganz, jeden Steuerbeschiss und jede Missachtung christlicher Aufrichtigkeiten – aber nicht die Abkehr vom Glaubenskanon. Deshalb der Ausflug zur Gefolgschaft vor dem Walter-Reed-Spital. Und deshalb keine klare Antwort auf die klare Frage, ob an Trump-Versammlungen künftig die Maskenpflicht gilt oder nicht. Die Wahlkampfmanager winden sich wie die Würmer, und ihre Antworten sind fischig: Man “betont die Notwendigkeit” der Maske, man “empfiehlt” sie, und man gibt sie ab. Aber das schlicghte Mandat no mask no entry, wie es an jedem amerikanischen Geschäftseingang (und an keinem schweizerischen) steht – das gibt es nicht.