Unterkunft der Haussklaven. Links und rechts des Kamins zwei Stuben. Hütten – oder Ställe – der Feldsklaven sind weg.

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I-95 North, Georgiaküste, Richtung Savannah. Ein brauner Wegweiser Hofwyl-Broadfield Plantation. Ausfahrt Darien.

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Hofwyl? Das Hofwil in Münchenbuchsee? Von Fellenberg, Pflanzschule, Aufklärung, Volksbildung, pädagogische Veredelung der Berner (und lange Jahre später der Bernerinnen). Der “Höfu” in Amerikas Südstaaten?

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In der Tat. Das war einmal eine Südstaaten-Grossplantage, heute ein State Historic Site. Ein Hain von Eichen mit Spanish Moss wie eine Opernkulisse. Im Hintergrund das harte Gras der Marschen, bis zum Ufer des Altamaha am Horizont. Broadfield hiess die Anlage, bis Anfang der 1850er Jahre. Da bauten die Pflanzertochter Ophelia Trout und ihr Ehemann George Dent das zweistöckige Bauernhaus, das bis heute zu besichtigen ist. Der Name Hofwyl wurde hinzugefügt, weil Dent wirklich in Hofwil gelernt hatte. Acht Jahre habe er das agricultural college in Munchenbuchsee besucht, erzählt der Führer auf dem front porch. Eigentlich habe Dent, mütterlicherseits Spross einer Hugenottenfamilie, eine Militärakademie in Paris absolvieren wollen, sei aber dort nicht aufgenommen worden und habe sich dann für die landwirtschaftlichen Studien entschieden. Dent habe auf französisch heim geschrieben.

In Hofwyl-Broadfiel wurde Reis angebaut, in grossem Stil. Reis war zu jener Zeit der grosse Agrarexport von Georgia und der Ursprung der Pflanzeraristokratie im Küstenland. Möglich durch die Sklaverei. Mitte des 18. Jahrhunderts war der Reisanbau in Georgia verkümmert, aber die Einfuhr von Sklaven aus Westafrika machte Reis wieder profitabel. Afrikanische Sklaven mussten die Sümpfe im Küstengebiet trockenlegen, Dämme errichten, Kanäle graben, Schleusen bauen und anschliessend den Reis pflanzen, ernten, verarbeiten und in den Hafen von Savannah für die Verschiffung nach England verbringen. “Unglaublich, was diese Menschen zustande gebracht haben”, sagt der Führer. “Ich vergleiche es mit dem Bau der Pyramiden”. Weil die Gegend malariaverseucht war, zog die weisse Herrschaft im Sommer ins “Stadthaus” in Savannah. Die Sklaven waren weitgehend unter sich. Sie entwickelten eine eigene Kultur und eine eigene, mit afrikanischen Wendungen durchsetzte Sprache, gullah. Von alten Leuten wird sie vereinzelt noch gesprochen.

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Frau Trouts Vater besass bei seinem Tod 7300 Jucharten (acres) Pflanzland und 357 Sklaven, die der Hofwil-Zögling Dent als Plantagenmanager übernahm. Offenbar ohne Skrupel – er hatte andere Sorgen. Der Schwiegervater hatte gewaltige Schulden hinterlassen, der Betrieb musste laufen. Die Bildungsideen in Hofwil scheinen beim Amerikaner keine grössere Wirkungsmacht entfaltet zu haben. Es wäre interessant, dies in seinen Briefen nachzuprüfen. Noch interessanter wäre zu wissen, ob der Sklavenhalter bei den freisinnigen Bernern irgendwelche Berührungsprobleme entfachte. Oder ob das Kurrikulum der Pflanzschule sich mit den ethischeren Fragen der Sklavenhalterlandwirtschaft abgab.

Es war nicht alles Gold, was glänzte. Mit dem amerikanischen Bürgerkrieg knickte die Reisproduktion ein. Herr Dent musste ins Südstaatenmilitär, die Familie wurde evakuiert, die Plantage beraubt und verwüstet. Als der Krieg verloren war, musste Dent einen grossen Teil des Landes aufgeben. Ohne Sklaverei rentierte der Reisanbau sich nicht mehr. 1913 wurde auf Milchwirtschaft umgestellt, bis die alten Schulden getilgt waren. Zuletzt blieben zwei unverheiratete Schwestern im Haus. Die letzte Überlebende, Miss Ophelia, schenkte das Anwesen, immer noch stattliche 1200 Jucharten, dem Staat. “Damit der Familienname mit dem Haus verbunden bleibt”, sagt der Führer. “Und um den Besuchern zu zeigen, was Sklaverei bedeutete”.