Wo standen wir vor einem Jahr? Ah ja, bei den Corona-Dividenden. Am Anfang der Pandemie standen wir vor einem Jahr, frisch und gross war das Mitleiden ob der Not der Künstler, Veranstalter, Gastwirte – mit denen, die auf eigene Rechnung arbeiten, um unsereinem das Leben erträglich zu machen.

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Und die Banken schütteten Dividenden aus. Als Aktionär meiner Regionalbank (“regionale Verankerung”, “Bekenntnis zu unserem Marktgebiet”) hatte ich vorgeschlagen, mit den Dividendengeldern einen Notfonds einzurichten, um denjenigen zu helfen, die das Milliardenprogramm des Finanzministers ausser Betracht lässt (es gibt sie).

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Es ging nicht. Der Vorschlag sei “sympathisch”, sagten die Bankmenschen. Aber die Zeit zu kurz, um jetzt noch Anträge an die Aktionärsversammlung zu stellen, die ohnehin nur schriftlich durchgeführt werde. Und zudem müsste der grösste Aktionär, die Burgergemeinde in Huttwil (“Burgergemeinden” sind eine Spezialität im Krähwinkel, nicht ganz demokratische, aber sehr kantonalbernische – ein eigenes Thema, wir schweifen ab), dass also jene Burgergemeinde ebenfalls eine Versammlung veranstalten müsste, um über den Antrag zu befinden, was wegen Corona auch nicht….

 

Etcetera.

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Heute? Wir stehen immer noch in der Pandemie. Eher noch grösser als damals ist die Not der Künstler, Veranstalter, Gastwirte – derjenigen, die auf eigene Rechnung arbeiten, um unsereinem das Leben erträglich zu machen. Aber frisch ist das nicht mehr. Man hat sich daran gewöhnt. Noch besser wird man sich fortan gewöhnen, da die Regierung ja nun ein Schlitzlein “geöffnet” hat und man auf den Terrassen wieder trinken darf, ins Kino gehen darf, sogar kleine Konzertlein besuchen darf. Das Mitleiden welkt. Wen scherts, wenn die Beizer und die kleinen Veranstalter blau anlaufen, weil ihnen die finanzielle Luftröhre nur gerade so weit geöffnet wird, dass sie nicht ganz abserbeln? Es gibt ja zwei Sorten von Mitleiden und Verständnis, je nach Neigung eher mit den Kranken und Sterbenden und für die “Massnahmen”, oder mit den zur Untätigkeit Verdammten, den Serbelnden und für deren Aufbegehren. Die  “Betroffenheit” ist in der Bevölkerung ungleich verteilt. Je linker und grüner, desto eher für die erste Variante – je rechter und farblich bis in den Braunton hinein desto eher für die zweite. Das ist nicht schwarz-weiss zu sehen, es gibt Grau- und Zwischentöne. Aber ich wette, dass Sympathie und Neigung  der Burgergemeinde in Huttwil BE deutlich in die zweite Richtung gehen.

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Doch wo es um Geld geht, pfeift der Wind anders. Am 24. April ist wieder Aktionärsversammlung bei Clientis, der Regionalbank, wieder schriftlich. Im Geschäftsbericht steht, dass das Institut 14 Millionen Franken Corona-Kredite an 138 Kunden vergeben und seinen Beitrag an die Linderung geleistet hat. Schön. Aber das ist Geld, welches der Bund absichert. Letztlich Staats- und Steuerzahlergeld. Die Bank hat mit Hilfe des Staates einen Beitrag dazu geleistet, dass ihre Geschäftskunden nicht vollends abschmieren und zu Faulobst in der Bilanz werden. An der Dividende wird nicht gerüttelt. Den Aktionären wird die gleiche Ausschüttung wie im Vorjahr vorgeschlagen, anderthalb Millionen in die Taschen von etwas über 6000 Aktienbesitzern. Das sind im Schnitt 250 Franken für Leute wie ich, die das Geld nicht brauchen. Das “Giesskannenprinzip”, das gerne bemüht wird, Geld für jene in die öffentliche Hand genommen wird, die keine Aktionäre sind. Der sympathische Vorschlag, die Dividende jenen zugute kommen zu lassen, die sie wirklich nötig haben, ist offensichtlich nicht aufgewärmt worden.

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Copy/paste. Im Text vom 24. April 2020 steht: “Das ist verkehrt. Richtig wäre, die Dividenden denjenigen zukommen zu lassen, denen die Corona-Krise die Existenzgrundlage nimmt.” Und: “Ein Fonds für akute Notlagen? So etwas wie die Kollekte am Ausgang – ein Auffangbecken für gespendete Dividenden? Auch kleine Sümmchen könnten dort überwiesen werden, anstatt im privaten Geldsäckel zu versichern. Kleinvieh gibt auch Mist. Über die Verwendung der Mittel könnte ein kleines Gremium entscheiden. Wenn über 13 000 Schweizer Stiftungen das zustande bringen, müsste es gehen.

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Ging 2020 nicht. Geht auch 2021 nicht.