Einkaufen darf man, zum Essen ins Restaurant darf man, zum Trinken in die Bar darf man, und ins Museum darf man. Im Museum ist es angenehm luftgekühlt, und die neue Schau im Museum of Modern Art verspricht Aktualität: “Automania” – Lust und Freude am Automobil, vom Kunstverstand in Szene gesetzt. Es ist eine Enttäuschung. Auch das MOMA kocht nur mit Wasser.
Der Hunger nach Erbauung ist gross, das Museum of Modern Art gut gefüllt. Eine mächtige Schau von Cézanne-Zeichenstudien ist eher mässig besetzt, aber vor den Meisterwerken der ständigen Ausstellung ist das Gedränge gross. Van Goghs “Sternennacht” sieht nur aus der Ferne, wer das vorgeschriebene social distancing einigermassen ernst nehmen will.
Auf kleinerem Raum befasst MOMA sich mit dem Automobil. Das Auto als gesellschaftlicher Umwälzer, wirtschaftlicher Treiber, Konsumgut, Objekt der Massenbegierde – schwer, aber gerade noch erreichbar für die meisten: alles, was das Auto über das reine Fortbewegungsmittel ausmacht, ist als Gegenstand der Ausstellung “Automania” angekündigt.
Naja. Man sagt, dass kriegführende Generäle immer die letzten Feldzüge im Kopf haben, und Ähnliches gilt wohl für Museumskuratoren – selbst die Nationalliga A des MOMA. Das Gezeigte ist das zu Gewärtigende, unüberraschend und routiniert abgefingert an tausenden von kulturhistorischen Traktaten. Zu sehen sind Autos, schnelle und schöne: Ein Ferrari-Rennwagen von Alain Prost bereits am Treppeneingang, etwas Mittelklasse im Innenhof, ein Jaguar E-Type und ein Käfer (mit grosser Heckscheibe). Der Besucher wird mit etwas früher Renngeschichte gestreichelt, etwas Design aus Detroit, ein wenig Pop Art, ein Hauch Freiheit auf der Strasse (illustriert an einem schönen Airstream-Wohnwagen). Die Plakatkunst fehlt nicht (mit dabei: ‘trink lieber Eptinger” von Herbert Leupin aus der Schweiz), Robert Franks Americans sind dabei, on the road, die Planungsungeheuerlichkeiten der sechziger Jahre.
Das Publikum belegt die Zugkraft des Themas. Der Jaguar und der Käfer werden in allen Stellungen photographiert. Das ist auch gut so. Autos sind schön, wir wissen und spüren es. Der E-Type ist eine Augenweide, und der Käfer kitzelt die Nostalgie: Warum nur hast Du den 1955er, der mit den Seitenzeigern, in den Abbruch gegeben? Nur – vom Kaliber MOMA wäre mehr zu erwarten. Wir leben in einem automobilen Umbruch, das Eigentum am eigenen Wagen ist in Frage gestellt, der Benziner und der Diesel sind unter Druck, der Stromer kommt und wird Strom fressen, die Selbststeuernden warten um die Ecke. Was von der Besessenheit übrigbleibt, müsste von einer Autoausstellung im Kunstmuseum erwogen werden, doch “Automania” ist das wurst. Vielleicht, weil das Neue sich in der Kunst nicht niederschlägt. Vielleicht auch, weil die Kuratoren auf die vergangene Glorie fixiert sind wie die Generäle auf den letzten Krieg. Eventuell, weil selbst eine Grosskunstinstitution wie das MOMA nach anderthalb Jahren Pandemielähmung nicht aus dem Stand durchzustarten vermag. Möglicherweise, weil das Museumsunternehmen die Faszination Auto – eine Retrofaszination wie Rock ‘n Roll oder Baseball – anzapft, um neues Volk in die Säle zu bringen.