Die USA haben  den Chef der Armee ausgewechselt. Ab tritt als Chairman of the Joint Chiefs of Staff der Armeegeneral Mark Milley, an tritt Luftwaffengeneral John Brown. Ein Routinevorgang, der von der news-Industrie nur deshalb registriert wurde, weil Milley in seinen Abschiedsworten darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Streitkräfte der Verfassung verpflichtet seien und nicht einer Einzelperson. Nicht auf einen «König, Tyrannen oder Diktator» werde der Eid der Streitkräfte geschworen, auch nicht «auf einen Möchtegerndiktator», sondern «auf die Verfassung und die Idee, die hinter Amerika steht».

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Der Möchtegerndiktator ist Donald Tump. Er hatte  als Präsident in der Manier eines lateinamerikanischen Caudillo gedroht hatte, das Militär gegen Demonstranten der Black Lives Matter Proteste einzusetzen, und er trickste Milley zur Teilnahme an einer photo opportunity vor einer Kirche am Lafayette Square in Washington (Bibel, Reizgeschwätz, Amerika am Abgrund, Durchgreifen – the works). Milley, im Kämpfer auf den Photos, merkte zu spät, was gespielt wurde und konnte sich nicht rechtzeitig absetzen, was ihm ein tiefes Misstrauen für Trumps Restlaufzeit einpflanzte. Als der waidwunde commander in chief  sich anschickte, seine Abwahl zu sabotieren, stellte Milley sicher, dass das Militär stille hielt.

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Trump wäffelt. Die überseeischen Gazetten käuen den Spruch über den «Möchtegerndiktator» wieder. Die «Neue Zürcher Zeitung eruiert eine «gefährliche Politisierung des amerikanischen Militärs». Das eine ist einfältig, das andere böswillig. Milley hat seinen Soldaten seit eh und je eingeschärft, dass ihr Eid nicht dem Präsidenten, sondern der Verfassung gilt. Und es war nicht der General, der den Einsatz der Streitkräfte gegen die eigenen Leute im Innern aufs Tapet brachte, sondern der Präsident und seine Kamarilla im Hintergrund. In einer demokratischen Grundordnung – weltweit unter dem Stichwort der security sector reform ­propagiert – ist das tabu. Darauf wies der General hin. Für Trumpisten ist das Landesverrat.

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Die Entfremdung des Armeechefs Milley vom Präsidenten Trump wird in einem langen, in Sympathie gehaltenen und auf intimstem «Zugang» fussenden Artikel des Atlantic Magazine nachgezeichnet, Episode für Episode, Anekdote für Anekdote. Einige sprechen für sich  (als Milley bei seiner Antrittszeremonie einen zum Krüppel geschossenen Afghanistan-Veteranen als Sänger auftreten liess, befahl Trump, «solche Leute» nicht mehr blicken zu lassen). Zwei davon sind bedeutsam. Die erste betrifft Milleys Vater. Er war im Zweiten Weltkrieg Soldat im Pazifik und drehte Jahre später, als alter Mann, durch, als er beim Sohn eine von ihm erbeutete japanische Flagge hängen sah: Er litt an «posttraumatischer Belastungsstörung» und liess sich erst nach diesem Vorfall psychotherapeutisch behandeln: General Milley wusste aus eigener Erfahrung, was Krieg den Überlebenden antun kann. Die zweite Anekdote dreht sich um den Navy-Elitesoldaten Eddie Gallagher. Er hatte einem Gefangenen des «Islamischen Staats» die Kehle durchschnitten und mit der Leiche posiert. Das Militär wollte ihn nicht nur aburteilen, sondern ihm auch ein Ehrenzeichen aberkennen. Trump verhinderte es («wäre ja eh gestorben»). Milley war für Bestrafung, gerade weil er wusste, «was Gallagher passiert ist, kann vielen Menschen passieren», wie er dem Autoren des Atlantic Magazine sagte. Er wusste es, weil Ordinary Men», die Untersuchung des Historikers Christopher Browning über das Hamburger Reservepolizeibataillon 101, das in Polen willig bei der Ermordung zehntausender von Juden mitgemacht hatte. Browning fand heraus, dass diese Polizisten keine fanatisierten Nazis waren, sondern «gewöhnliche Männer», die fraglos gehorchten. Er fand auch heraus, dass nicht mitmachen musste, wer um Dispensierung bat. General Milley kannte die Untersuchung, weil ein israelischer Amtskollege ihm das Buch geschenkt hatte. Er weiss, dass «gewöhnliche» Menschen Barbaren werden können.

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Die politische Kultur, die einen Donald Trump hervorbringt, weiss solche Dinge nicht. Sie liest nicht mehr, sondern schaut Filme – ein Amalgam aus Hollywood und reality TV.