“Der Bund beteiligt sich aktiv an der europäischen Integration.» Diesen Satz will eine neue Volksinitiative in die Bundesverfassung schreiben. Gut so. Der Paragraph schlösse die klaffende Lücke, die auch den Verfassungsvätern von 1999 nicht bewusst war.
In der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, revidiert im Jahr 1999 – zehn Jahre nach der geopolitischen «Wende» – ist das Wort «Europa» nicht vorhanden. Lediglich in den Übergangsbestimmungen zu Art. 86”, im Absatz 1, ist das eigene Kontinentlein erwähnt, als Adjektiv beim “Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz”. Der Rest ist “Ausland”.
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Dass in Europa seit Jahrzehnten gewisse Vereinheitlichungen – genannt “Integration” – im Gange waren, liessen die Solone in Bern ausser Acht. Sie wussten warum. Das Volk hatte den Anschluss an den europäischen Binnenmarkt abgelehnt, es waren zähe Folgeverhandlungen im Gange, ein in Zürich aufkeimender Nationalismus blies die Europäische Union zu einem Popanz auf, den es wahrhaftig zu bekämpfen gälte, wenn er denn so furchterregend wäre, wie die Sechseläutner ihn vor sich hintragen. “Die Politik” wusste und weiss, woher der Wind weht. Die grösseren Kaliber halten sich alle bedeckt. Was Bundesrat werden will, hütet sich, der europäischen Integration das Wort zu reden, was Bundesrat ist, beschränkt sich auf das Mantra des “bilateralen Wegs”. Nur was Bundesrat gewesen ist, lässt sich in seltenen Fällen zu einer “pro-europäischen” Aussage vernehmen. Zu keinem Schlüsselereignis der europäischen Integration hat die Schweizer Regierung sich in irgendeiner Weise geäussert. Nicht zu den Verträgen von Maastricht, Lissabon oder Nizza, nicht zur Einführung des Euro, nicht zur Erweiterung von EU und NATO. In ihren Verlautbarungen im UNO-Sicherheitsrat reiht die Schweiz sich zwar regelmässig in die Appelle zur regionalen Zusammenarbeit ein, die an die Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner gerichtet werden. Auch dem Balkan wird die voie Européenne empfohlen. Aber zur Integration vor der eigenen Türe haben die Bundeskommunikatoren und ihr Meister in Bern nichts zu sagen.
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Das ist die politische Lücke hinter dem Loch in der Verfassung, welches die nun lancierte “Europa-Initiative” mit einem simplen Satz schliessen will: «Der Bund beteiligt sich aktiv an der europäischen Integration.» Der Satz stellt die Frage, der jahrelang ausgewichen worden ist, ausweglos. Radikal und deswegen richtig. Einmal in der Verfassung verankert, wäre die allgemeine Richtung der Schweiz festgelegt. Der Zeuselei mit der Rückkehr zu den alten Nationalismen – «Serbien muss sterbien», «jeder Stoss ein Franzos», «jeder Schuss ein Russ» – wäre ein Riegel geschoben. Die Streitereien du jour verlören ihre schicksalshaften Bedeutungen. Die Schweiz könnte weiterhin Nein sagen, wo sie es für geboten hält. Sie könnte am «bilateralen Weg» der Extrawürste und Sonderzüge festhalten. Wenn sie wollte, könnte sie auch der Euro-Besserwisser bleiben, welcher der Europäischen Union gerne die tauglicheren Lösungen für die gemeinsamen Probleme vorhält (sagt jemand «Konzernverantwortung»?). Aber sie würde sich selbst und den Partnern auf dem Kontinent klar machen, das gemeinsame Ziel der «Integration» mitzuverfolgen. Sie würde klarstellen, dass für europäische Zersplitterung oder Handlungsunfähigkeit auf der globalen Szene nicht zu haben ist.
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Das Initiativprojekt ist nicht vollkommen. Der zweite Absatz des Textes, der die Bereiche künftiger europäischer Zusammenarbeit benennt, steht windschief in der Landschaft. Die militärische Verteidigung des Kontinents wird nicht einmal mit dem Allerweltsbegriff der «Sicherheit» erwähnt, obwohl sie mit Russlands Angriff auf die Ukraine eine Hauptdringlichkeit geworden ist. Das liegt wohl an den Hinterleuten. Die Initiative wird von einer «Allianz» getragen, der neben den Jungen Grünen eine Handvoll mehr oder weniger bekannter akademischer und kultureller Organisationen angehören. Der Dunstkreis der von rechts diffamierten «Netten», aus dem keine Mehrheiten zustande kommen. Aber das ist zweitrangig. Wichtig ist der erste Satz: “Der Bund beteiligt sich aktiv an der europäischen Integration.»
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Man muss das unterstützen. Ich unterschreibe.